Hin und her
- hartmanntabea
- 7. Aug. 2022
- 5 Min. Lesezeit
In Gedanken geht es bei mir (Tabea) ständig hin und her. Mir fällt etwas ein aus Pleidelsheim, eine Abschiedssituation oder irgendeine besondere Begegnung und dann wieder bin ich ganz im Hier und Jetzt- lerne ein paar neue Wörter, schmecke eine neue Frucht, gehe einen neuen Weg. Und dann wiederum stelle ich mir vor, wie es wohl in Lima sein wird und frage mich, ob ich mich lieber mit Peru als mit Costa Rica beschäftigen sollte. Denn schließlich sind wir ja hier nur auf Zwischenstation. Das würde diesem besonderen Land hier aber auf keinem Fall gerecht werden. Und dann fällt mir wieder etwas aus Deutschland ein... so geht es hin und her. Und nachts, in meinen Träumen, vermischt sich alles... Deshalb nehme ich euch heute ein bisschen mit in mein Hin und Her :)

Engelsgrüße
Die letzten Wochen in Pleidelsheim waren enorm dicht. Ich weiß noch, wie ich ungefähr fünf Wochen vor der Ausreise abends im Bett lag und betete: "Herr, du musst mir einen Engel schicken! Ich schaff es nicht. Und ich meinen einen richtigen Engel!" Die Not musste wirkliche groß gewesen sein, denn ich betete sonst so etwas nie und hab es eigentlich auch nicht so mit Engeln... Am nächsten Tag lag ein dicker Brief auf meinem Schreibtisch. Er war von meiner Patentante aus Stralsund, von der ich das letzte Mal an meiner Konfirmation etwas gehört und geschickt bekommen habe. In dem dicken Umschlag war ein sehr lieber, handgeschriebener Brief von ihr und, was den Brief so dick gemacht hatte, unzählige handgemalte und gedruckte Engelskarten! Ich schaute mir eine Karte nach der anderen an und saß an meinem Schreibtisch umgeben von zig Engeln. "Aber Herr, ich brauch doch jemanden, der mir hilft...!" Irgendwie musste ich lachen. Die Karten und die Engel arbeiteten etwas in mir. Und am Sonntag im Gottesdienst umgab mich irgendwie ein großes Gefühl von Geborgenheit: Gott schickt mir nicht einen Engel! Er schickt mir mindestens fünfzig! Und die sind schon am Schaffen. Also, nur Mut!
Und so war es dann auch, immer wieder gab es Menschen, die uns beistanden und tatkräftig halfen: Die Patentante, die nun noch kräftiger für uns betet oder Sängerinnen aus dem Chor, die sagten: "Wir liiiiieben Müll!" Und einen Tag später kamen sie angerückt und nahmen unseren mit. Eine Freundin, die für uns kochte und Pizza bug. Und Sonja, die uns in der letzten Woche quasi Mittag für Mittag mit Essen versorgte. Und natürlich, immer in Rufbereitschaft, Rosi und Reiner. Und die beiden bringen mich zum nächsten wundersamen Erlebnis...

Schraubengrüße
Am Mittwoch, also zwei Tage vor unsere Ausreise, konnten wir unseren VW-Bus an seine neuen Besitzer übergeben (und das sind wirklich richtig gute neue Besitzer!). Kurz, bevor sie kommen sollten, wurde Samuel etwas nervös: Die Kiste mit den Spezial-Schrauben für den Spezial-Dachträger war nicht mehr da. Sie stand doch gestern noch vor der Bar mit dem Hinweis, dass die Spezial-Schrauben für den Spezial-Dachträger dort möglichst stehen bleiben sollten. Den Hinweis haben leider nicht alle gehört, die am Dienstag da waren, um beim Aussortieren und Weiterverarbeiten unserer letzten Reste mitzuhelfen. Ich rief gleich Rosi, konnte aber nur ihren AB erreichen... Natürlich, Mittwochmorgen... Pilates. Das weiß ich doch. Denn genau dort haben wir uns kennengelernt! Eine Freundin schrieb: "Kann ich heute etwas tun?" "Ja, wenn du Zeit hast, beten, dass wir die Schrauben für den Dachträger vom VW-Bus wiederfinden." Etwas später rief Rosi zurück. Da waren die neuen Besitzer leider schon weg. Aber ich konnte mein Schrauben-Anliegen loswerden. Eine halbe Stunde später fuhren Rosi und Reiner im Hof vor. In ihren Händen: Schrauben! Sie hatten sich erinnert, dass diese in einem Restmüllsack gelandet waren. Bei sich daheim haben sie den ganzen Restmüllcontainer ausgeleert (...) den Sack gefunden, die Schrauben gefunden und... Reiners Brille! Die war in der ganzen Sortierei wohl mit dazwischen geraten! Das haben wir dann gleich noch gemeinsam der betenden Freundin als Sprachnachricht geschickt. Und sie antwortete: "Danke. So eine Nachricht habe ich heute gebraucht. Ich hatte das Gefühl, Gott hört gar nicht zu, wenn ich ihn schon so lange um etwas bitte. Aber er hat mir heute gezeigt, dass er sehr wohl zuhört. Selbst wenn es um Schrauben geht." Die Brille gab's als Bonus dazu. Und nun ist die Brille wieder auf Reiners Nase, die Schrauben wandern über Schwiegereltern und andere Freunde zu neuen VW-Bus-Besitzern und Gott hört wohl jedes Gebet.

Und nun ein paar Eindrücke aus dem Hier und Jetzt:
Eine Woche Sprachkurs und Kindergarten, in dem die beiden Kindergartenmädels nix verstehen, liegt hinter uns. Wir Sprachkursler haben echt guten Unterricht. Die Kinder spielen viel mit ihrem Lehrer und wir pauken halt. Am Ende des Tages wissen wir gefühlt gleich viel. Im Unterricht macht schon Manches Sinn. Aber wenn ich auf mich gestellt bin, im wirklichen Leben, kommt nur ein Mix aus Englisch, Französisch und so ein paar rohen Klumpen Spanisch raus. Bei Samuel kommt eher Deutsch oder Schwäbisch raus. Wie soll das nur werden... acht Wochen sind ja auch nicht die Ewigkeit. Und jetzt sind es nur noch sieben!!! Ayuda!
Zoe und Lois gehen so halbgern in den Kindi hier. Sie wechseln sich ein wenig ab mit Sauersein, dass wir sie da abgeben. Dabei sind wir direkt gegenüber und die Erzieherinnen sind sehr nett. Finden wir. Und die beiden kommen immer mit schönen Frisuren zurück. Am Mittwoch fand Lois es am blödsten, da hinzugehen. Aber so fröhlich singend und tanzend lief sie auf dem längerem Einkaufs-um-heimweg vor uns her. "Du bist heilig, du bringst heil!" Amen.

Am Donnerstag waren wir zu siebent am Nachmittag in dem schönen Garten unserer Sprachschule. Zum Kochkurs. Wir machten Salat. Könnte man sagen. Wenn man keine Ahnung hätte. Tatsächlich machten wir ein Ceviche. Mit Mango, Zwiebel, Salz und Pfeffer, viel Limonensaft und einem Spritzer spezieller Tico-Gewürzsoße. Das ganze war sehr lecker. Die Kinder waren etwas abgeschreckt, Mango und Ketchup und Essig und noch so Zeugs so mixen. Aber die rohe Mango war ganz ok. Auf jeden Fall war es schön, noch etwas gemeinsam zu lernen am Ende des Schul-und Kinditages.

Am Freitag hatten wir frei. Wir haben uns auf den Weg ins Kindermuseum gemacht. Im Uber gab es sogar ein paar Gurte zum Anschnallen :) Das Museum war gut- zum Spielen, aber auch, um etwas über die Geschichte des Landes zu erfahren. Mit etwas Beklemmung liefen wir durch die Geschichte des Landes. Die Zeit der Kolonialisierung, die dieses Land sowie den ganzen Kontinent um so Vieles beraubte, es besetzte, und erniedrigte und ihm noch einen fremden Glauben aufzwang. Ist es da nicht komisch als weiße Pfarrersfamilie nach Lateinamerika zu kommen?
Vom Museum wollten wir heimlaufen. Zwei-drei Kilometer. Sollte machbar sein. Aber direkt schon in der ersten Straße... ein paar dubiose Gestalten... Wegrennen, umdrehen, Augen zu, selbstbewusst gehen? Eine Gruppe an Männern löste sich plötzlich auf. Kurz darauf kam die Polizei. Wir schafften es sicher ins Zentrum. Wahrscheinlich, weil wir so dermaßen selbstbewusst liefen...

Und heute wollten wir einen
netten kleinen Ausflug in die nächste Stadt machen. Alteeeeer, war der Bus voll. Wir standen eine Stunde und waren froh, als wir am Ziel waren. Die Stadt war aber nicht unbedingt gemütlicher... auf den ersten Blick zumindest. Irgendwann fanden wir jedoch die Ruinen, die ein Wahrzeichen dieser Stadt sind. Die Ruinen sind die Grundmauern einer sehr großen Kirche, die über die Jahrhunderte immer in neuer Art und Weise errichtet wurde. Und immer wieder zerstörte ein Erdbeben die Kirche. Deshalb haben die Cartagener irgendwann ihr Vorhaben aufgegeben. Aber vielleicht doch nicht so ganz. Sie haben die Grundmauern der letzten Kirche stehen lassen- mit dem Metallgestänge für die Buntglasfenster und einer Glocke am Eingang. Und da hinein haben sie einen wunderschönen Garten gepflanzt. Und nun ist die Kirche jederzeit für alle offen. Und nach oben ist sie auch offen. Ein würdiger Ort.

Die tatsächliche Kathedrale haben wir auch gefunden. Wir liefen in die Kirche. Aber die meisten kamen kniend hinein und knie-wandelten auch den Weg nach vorn zum Altar: Frauen, Männer, Kinder, Paare, Familien. Da hatten wir viel Gesprächsstoff!
Den Bus nach San José haben wir sogar irgendwann auch gefunden. Die App hat es sich immer anders überlegt mit der Bushaltestelle, als wir jeweils das vermeintliche Ziel erreichten. Das Busfahren haben wir irgendwann voll drauf!
Und dann noch ein letzter Blick auf die Stadt, bevor wir uns in die Schlange für den Bus stellten. Satt von Eindrücken kehrten wir nach Hause zurück.




Herrlich zu lesen 😉😉
zum Schmunzeln aber auch staunen! 😉