Mit anderen Augen
- hartmanntabea
- 22. Sep. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Einmal Cusco und zurück.
In den Winterferien (im Juli) sind wir nach Cusco geflogen und haben das erste Mal einen Eindruck von der absoluten Schönheit dieses Landes bekommen - von der Weite, von der Höhe, von der klaren Luft. Eigentlich sah es hinter jeder Ecke und Kurve aus wie im Reiseführer. Nur eben schöner. Oder reicher. Denn ein Bild ist zweidimensional. Da fehlen ja die Gerüche. Und die Umgebung von Bildern füllt man im Kopf, glaube ich, immer mit bekannten Dingen auf. Aber wenn man wirklich da ist, dann ist die Umgebung eine andere. Die Reise hat uns phantastisch gutgetan. Da fehlen mir ein wenig die Superlative, um das besser ausdrücken zu können.
Wir waren etwas knapp mit der Planung, weil ich immer dachte: "Wer weiß..." (Ob das alles klappt, jemand streikt, wir alle krank sind usw.). Und auf den letzten Metern hat uns eine dänische Missionarsfamilie noch einen Kontakt vermittelt von einer Hermana (einer Schwester im Glauben), die uns mit der Planung dann so wunderbar geholfen hat, dass wir tatsächlich zu Josuas 14. Geburtstag auf Machu Picchu sein konnten. Oben bei den Bildern ist auf einem Foto der Moment, wo oben - auf Machu Picchu - Patin Elke samt Familie zum Geburtstag gratuliert haben. Der Weg zu Machu Picchu war schon spektakulär. Bei 4°C haben wir draußen in aller Frühe gefrühstückt und sind dann mit dem Zug gefahren. Und die Landschaft wurde immer schöner. Von kargem Hochland wechselte es irgendwann in Hochlandurwald. Die Berge um Machu Picchu haben eine besondere Form. Wie riesige Zipfelmützen sehen sie aus. Und alles im üppigsten und urigem Grün. Und als oben die Sonne rauskam, war es so heiß! Und üble Mücken waren am Start. Die Stiche haben wir zwei Wochen später noch gesehen. Insgesamt hatte ich mir den Ort etwas entspannter und freier vorgestellt. Aber aufgrund der Touristenströme, ist jeder Weg genau vorgegeben. Niederlassen kann man sich kaum. Und ständig muss man wieder seine kompletten Personalien vorweisen. Die werden fein ordentlich in ein dickes Buch geschrieben und erlauben dann den Eintritt in den nächsten heiligen Sektor.
Ein paar Tage hatten wir uns genommen für das Heilige Tal, um uns allmählich im Höhenklima zu akklimatisieren. Es ist schon ein besonderes Tal. Überall gibt es diese Inka-typischen Terrassen - manche sind freigelegt, andere gehören einfach etwas überwuchert zum Landschaftsbild oder ins Bergpanorama. Viel Gemüse wächst in diesem Heiligen Tal. Einige spezielle Maissorten werden nur dort angebaut. Und unsere indigene Guide auf Machu Picchu beschrieb die Zeit, in der die Inka ihre Landwirtschaft kultivierten als "die gute alte Zeit", in der alle Menschen satt wurden.
Die Chefin in unserem Hostel im Heiligen Tal hatte witzigerweise im Januar eine Familie beherbergt, die in Diospi Suyana arbeitet und in Curahuasi lebt. Diesen Kontakt nutzten wir für einen spontanen Tagesausflug. Wir wurden in Curahuasi herzlich begrüßt und aufgenommen. Und am Ende der Führung durchs Krankenhaus sind wir Martina John noch in die Arme gelaufen. Wir waren sehr berührt von der herzlichen Art. Und überhaupt von der ganzen Arbeit und den Menschen, die es bedarf, um mittellosen Menschen eine würdevolle und hochprofessionelle Behandlung zukommen zu lassen.
Wir hatten leider doch ein paar Krankheitsviren mitgenommen auf unsere Reise. Immer wieder hat sich jemand wahnsinnig tapfer und eigentlich schlapp auf eine Wanderung geschleppt (freiwillig, sie wollten nichts verpassen). Aber in Cusco sind wir dann auch viel nur im und um das Hotel herum geblieben. Zoe hat es am schlimmsten erwischt. Sie lag vier Tage mit Fieber im Bett. Deshalb wurden die Tage in Cusco recht entspannt. Die Rainbowmountains müssen leider auf den nächsten Urlaub warten. Und netterweise waren unsere beiden Nichten, die uns im August besucht haben (Juhuuuuuuuuu) dort und haben rausgefunden, "es ist nicht so, wie alle immer denken". Die Höhe auf 5000m raubt einem im wahrsten Sinne des Wortes nämlich den Atem. Und es ist echt kalt und zugig. Aber dafür auch extrem schön. Die beiden haben uns von da oben eine "reel" Videonachricht geschickt. Und die Farben und der Blick sind einfach der Hammer.
In Cusco waren wir wahnsinnig froh, über unser nettes Hostel mit Innenhof. Dort haben wir sehr viel gesessen und oft gespielt und bis es abends dann zu kalt wurde noch ein paar Chilcanos oder hausgemachte Limonade bestellt.
Durch diese Reise haben wir einen anderen und neuen Blick auf Peru gewonnen. Die Schönheit, die Weite und die vielen wohltuenden Orte rücken Lima auch noch einmal in ein anderes Licht. Lima ist nicht Peru. Es ist auch Peru.
Die Menschen im Hochland sind (natürlich) ganz andere als die Limeños. In den meisten Fällen sind es Indigene. Sehen sich selbst als Nachfahren der Inka - der quasi Ausgerotteten. Sie sind die, deren Sprache lange Zeit nicht gelehrt oder anerkannt wurde. Die Spanier haben in ihre Heiligtümer manchmal einfach die ihrigen (spanischen) gesetzt. Oder haben die Heiligtümer der Indigenen abgebaut und daraus Kirchen errichtet. Immerhin mit andinischem Charme und Meerschweinchen auf dem Abendmahlsbild. Aber trotzdem... schon verrückt. Einfach alles sehr geschichtsträchtige Orte. Mit einer anderen Zeitrechnung als in Europa, wo die "Entdeckung" Amerikas das neue Zeitalter einläutet und die Goldkassen füllt. Während auf dem frisch entdeckten Kontinent (als wären die Menschen dort bzw. hier ihrer eigenen Existenz vorher gar nicht bewusst gewesen) ein Lauf um Leben und Tod begann- fremde Viren, Versklavung und ganze Genozide. Aber gut, ich will nicht zu politisch werden. Bin ja erst am Anfang. Andere haben sich schon ihr ganzes Leben mit diesem Thema beschäftigt und können tatsächlich Auskunft geben.
Mit anderen Augen...
Zu dem neugewonnen Blick gehört auch diese für uns besondere Zeit zwischen den beiden kleinen Jubiläen: Ein Jahr Ausreise und ein Jahr in Lima. In dieser Zeit haben wir nämlich, wie schon oben erwähnt Familie zu Besuch empfangen dürfen. Und es war uns eine riesige Freude. Salome und Magdalene kamen an wie die Weihnachtsfrauen mit zwei großen Säcken voller Geschenke. Ich weiß nicht, wie sie das mit dem Gewicht gemacht haben. Ok, ich weiß es. War mega schwer alles... Aber in den Koffer mussten halt viel Liebe und Sehnsucht und herzliche Grüße. Das wiegt halt was. An dieser Stelle nochmal: Danke euch allen, ihr Lieben!!! Danke auch an Elke, die nicht eher aufgehört hat, nachzufragen, bis sie für jeden einzelnen von uns ein schönes Geschenk mitschicken durfte. Kam alles an. Die ganze Liebe! Freuen uns aufs Wiedersehen. Und Salo und Magi: Wo seid ihr???? Wir vermissen euch! Also, bevor ich zu rührselig werde... in diese Zeit fiel auch die Anstellung von Hanna, die jetzt als Jugendpastorin zu 100% in unserer Gemeinde arbeitet und das pastorale Team aufs Vortrefflichste ergänzt. Liebe Hanna, schön, dass du da bist! Du tust gut und so viel Gutes! Hanna ist in die kleine Gästewohnung der Gemeinde eingezogen und leitet da die "Christus-WG". Ok, der Name ist vielleicht noch in Arbeit. Aber ich find ihn so gut. Jedenfalls dürfen dann alle Gäste der Gemeinde mit Hanna wohnen und zusammen teilen sie Glaube und Leben. Gleich zu Beginn war Anna da für ca. zwei Wochen. Sie hat sich voll in die Gemeinde eingebracht und besonders im Kinder- und Jugendhaus am Freitagnachmittag bis spät abends geholfen, geleitet, gestaltet. Und Jan kam ein paar Tage später dazu. Gerade ist er auf Reisen. Aber ansonsten schaut er im Rahmen des Gemeindepraktikums im Theologiestudium hier und da in unsere Gemeinde, was so läuft und warum es wohl so läuft.
In diese Zeit fällt auch, dass wir als Gemeinde zum ersten Mal (und auch schon zum zweiten Mal) die "Amigos de la Calle" mit Brot und Quaker versorgt haben. Jeden Dienstagabend gibt es da eine Aktion im Stadtzentrum. Schon seit vielen Jahren und übergemeindlich. Nun sind wir Teil dieser Arbeit und fröhlich dabei, wenn Dienstagabend "Brot und Wort" verteilt werden. Auf einem Bild sieht man, wie Carmen die Hafermilch zubereitet in dem großen 70-Liter-Topf. 160 Portionen haben wir letzten Dienstag packen können. Ca. 120 für die Menschen im Zentrum. Den Rest haben wir ein paar Straßen weiter mitgenommen. Da leben einige Familien in provisorischen Zelten im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße. Dabei war ein Kind im Rollstuhl und ein recht frisch (und zu früh) geborenes Baby.
Und zu Wein und Brot laden wir neuerdings einmal im Monat im nicht mehr ganz so deutschsprachigen Seniorenheim ein. Als wir beim Abendmahl festgestellt haben, dass wir eigentlich nach dem Mahl noch viel mehr Zeit zum Quatschen bräuchten, haben wir uns kurzerhand verabredet.
Und zum Taizé-Abend haben wir auch zum ersten Mal einladen können. Die Idee ist am Lagerfeuer mit Stockbrot in der Hand entstanden. Ein Vater sagte: "Ich mag gern Taizé." Und Klavierspielen kann er auch. Da hat es nicht lang gedauert und die dunkle Kirche war nur mit Kerzen erhellt und es hat geklungen. Danach gab es Brot. Ein einfaches Abendessen. Und es war schön. Und tat sehr gut. In dieser unruhigen, chaotischen Stadt.
Und ich habe endlich einen Weg gefunden, einigermaßen aromatisches Brot zu backen. Auch ohne Roggen und Dinkelmehl oder überhaupt einfach dunklerem Brotmehl. Geht also. Kleiner persönlicher Triumph.
Der Terminkalender füllt sich. Bald wird es vielleicht auch noch mehr gospeln. Oder etwas mehr Latino-Musik? Mal sehen, was wird. Es ist auf jeden Fall eine gute Zeit. Mit Platz für Inspiration und für Trial and Error. Dafür sind wir dankbar. Es geht etwas leichter. Vielleicht auch, weil wir die Erwartungen etwas angepasst haben. Uns schon ein bisschen eingewöhnt haben. Und eben mit anderen Augen auf Manches sehen können.
Seid herzlichst gegrüßt, vielen Dank für eure Begleitung, bleibt behütet und getröstet und getragen und gesegnet, Tabea (mit den liebsten Grüßen vom Rest der Familie)





















































































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