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Washington, D. C. und New York und das wichtigste und das normalste im Leben

  • hartmanntabea
  • 7. Sept. 2023
  • 5 Min. Lesezeit

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Bei diesem Bild muss ich an "Forrest Gump" denken und dazu höre ich "Imagine" von den Beatles klingen. Und Lois sitzt auf dieser großen Stufe, als wäre es das normalste der Welt.


Als wir im Frühling in Washington, D.C. waren, haben wir als Familie natürlich die Gemeinschaft mit allen Kollegen-Familien aus ganz Amerika- von Kanada bis Feuerland- genossen. Aber was uns vielleicht noch näher ging, war das Grün und die Weite. Wir konnten uns nicht sattsehen. Nach einem Dreiviertel Jahr in Lima waren wir völlig begeistert, weil Washington einerseits so europäisch und damit irgendwie heimatlich wirkte, weil das Land aber auch so offen und weit war und weil die Luft- obwohl auch Großstadtluft- so gut tat.

Wir durften als Familie nach Washington für die Regionalkonferenz reisen, zu der zukünftig in zwei von drei Jahren eine der EKD-verbunden Gemeinden/Standorte in Amerika einlädt. Jede Konferenz hat neben der Begegnung auch ein Thema. Ganz passend zum Standort ging es in Washington, D.C. um Rassismus. Im gemeinsamen Austausch kam heraus, dass jedes Entsendungsland wirklich seine ganz eigenen Themen in diesem großen Themenfeld Rassismus hat. Dass die Problemstellungen, die sich aus der Geschichte ergeben, völlig anders sind. Und wie tief die Wurzeln dieser Risse in der Gesellschaft reichen, war wieder neu erschütternd. Für Peru beschreibt "Klassizismus" wohl eher das Gesellschaftsthema. Und ja, jede Ethnie, Kulturgruppe, Klasse würde wohl Geschichte anders schreiben und deuten... Gut, wenn man sein eigenes Geschichtsbild immer mal wieder hinterfragt.

Als die Konferenz vorbei war, haben wir schnell den großen Mietwagen-Familienbus abgeholt und sind zum Flughafen nach NYC gedüst, um Familie abzuholen! Was für ein Fest!!! Nach einem Dreivierteljahr wieder Familie zu sehen! Wir fuhren gemeinsam weiter in den Norden und konnten in den Catskills in der Hütte der New Yorker Gemeinde übernachten. Es war eisekalt. Aber wir haben's trotzdem gefeiert! Wanderungen mit allen Hosen übereinander, lange Frühstücksessions mit frischen Pancakes vom Schwager und Yoghurette aus Deutschland mit Spielen, langen Gesprächen, Streiten, wer sich am meisten um die kleine Cousine kümmern darf, Feuerholzholen, Einkaufen, Kaffeetrinken. Eben ein ganz normaler Familienurlaub. Aber für uns war es extrem besonders. Nicht nur, weil wir uns in New York getroffen haben. Und sich Schwägerin und Schwager relativ spontan dazu entschieden haben, uns in New York zu treffen.

Nach ein paar Tagen fuhren wir in unserem Tourbus weiter nach New York City. Da hatten wir für drei Tage ein Air B'n'B in Brooklyn. Wir haben versucht, uns New York ein bisschen zu Fuß und mit der Subway zu erschließen. Es war leider echt kalt. Aber trotzdem irre beeindruckend. Netterweise spielte immer irgendjemand für uns "New Yooooork" von Alicia Keys- auf der Brooklyn Bridge, aus den Taxis, die vorbeifuhren, aus den Läden auf der 5th Avenue, dass wir nicht vergessen, wo wir sind :)

Von einigen sehr eindrücklichen Momenten habe ich keine Fotos- nur Bilder im Kopf: Von den Menschen, die ihr zu Hause in der Subway haben. Am Morgen kaufen sie sich ein Ticket und dann haben sie es den ganzen Tag trocken. Ihr Hab und Gut passt in zwei Tüten. Oder von dem Mann, der wunderschön in einer Subway Station gesungen hat- rau und vom Leben gezeichnet war sein Stimme. Das war sehr anrührend. Er unterbrach sein Lied für eine Frau, die an ihm vorbeiging. Sie war vom Leben so gekrümmt, dass sie eigentlich nur noch nach unten schauen konnte. Und die vielen Geflohenen aus Lateinamerika- wahrscheinlich kommen die meisten aus Venezuela- die ihre Obstsnacks in den heruntergekommenen U-bahn-Stationen verkaufen. Das hat sich fast ein wenig Peru-heimelig angefühlt. Ich frag mich nur, wo sie ihr Obst in New York einkaufen. Und zu welchem Preis. Und welchen Weg sie hinter sich haben und mit welcher Hoffnung sie jeden Tag ihr Obst verkaufen.

Nach dieser knappen und ganz besonderen gemeinsamen Woche mussten wir uns von Schwager und Schwägerin und ihrem Töchterlein leider wieder verabschieden. Der Großfamilienakku war aber ein bisschen aufgefüllt. Gutes Gefühl.

Ein paar Tage hatten wir noch als Klein-Familie vor uns. Unser letzter Tag in New York war ein Sonntag. Wir wollten gern in die deutschsprachige Kirche bei unserem Kollegen und seiner Frau gehen, danach noch ein Museum besuchen und zum Kaffee hatten uns die beiden noch zu sich nach Hause eingeladen. Nach dem sehr herzlichen und liebevoll gestalteten Gottesdienst machten wir uns als Familie auf zum Metropolitan Museum of Art. Aber es regnete leider ohne Ende. Die Subway fuhr, weil es Sonntag war, sehr unregelmäßig und zwischendrin mussten wir immer wieder ein Stück laufen - übertage. Als wir endlich bei Museum ankamen, lief da das Regenwasser nur so die Stufen herunter. Auch der letzte von uns stand dann im Wasser. Im Museum quoll bei jedem Schritt Wasser aus unseren Schuhen. Und es war ja immer noch echt kalt. Weil unser Weg zum Museum so lang war und der Rückweg dann durch noch tiefere Pfützen führte, kamen wir erst am frühen Abend zu unseren Kollegen statt zum Kaffee. Viel zu spät und völlig durchweicht. Genauso, wie man eben aufkreuzen möchte, wenn man jemand besuchen und einen netten Eindruck hinterlassen möchte... Aber, was soll ich sagen: Wir wurden mit offenen Armen empfangen. Im Haus duftete es schon nach Pizza. So schnell, wie unsere Kinder trockene Socken angezogen bekamen, konnte ich gar nicht nach Socken von uns (in der Schmutzwäsche im Koffer) suchen. Wir waren wohl nicht bei irgendjemandem zu Gast. Sondern bei Freunden. Bis in den späten Abend haben wir miteinander gelacht, geredet und ausgetauscht und gesungen. Und seit dem gehört der gemeinsame Austausch fest in den Kalender. Denn Kollegen, mit denen man sich gut austauschen kann, findet man nicht alle Nase lang...

Zum guten Schluss: Von der Schwägerin erreichte uns zum ersten Jahrestag unserer Ausreise ein Päckchen. Darin waren einige Utensilien zum Feiern. Und ein kleines Fotoalbum unserer gemeinsamen New-York-Reise. "Statt Kuchen" stand auf einem Postit auf dem Album. In diesem Album waren einige besonders schöne Catskills- und New-York-Momente. Ein Foto hat es mir besonders angetan. Zoe und ihre kleine Cousine Pauline sitzen Beine strampelnd auf einem Tisch in der großen Küche der Ferienhütte in den Catskills. Irgendetwas essen sie. Vielleicht dürfen sie schon mal einen Apfelschnitz vorm Frühstück probieren. Da sitzen die beiden Cousinen, als wäre es das normalste auf der Welt, zusammen in der Küche zu sitzen und den Eltern bei der Arbeit zu "helfen". Dabei sitzen sie oft 10.000 km weit entfernt voneinander auf den Arbeitsplatten in den Küchen ihrer Familien. Abenteuer sind wichtig im Leben und einem Ruf zu folgen und durch offenen Türen zu gehen und vom Wind of Change sich treiben und bewegen zu lassen. Aber Beziehung ist vielleicht das wichtigste auf der Welt. Und Beine strampelnd auf der Arbeitsplatte in der Küche zu sitzen. Oder sich völlig durchnässt und viel zu spät an den Tisch von Freunden setzen zu dürfen.










 
 
 

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Über uns

Wir sind Familie Hartmann. Wir leben seit Oktober 2022 in Lima/Peru und arbeiten in der deutschsprachigen Evangelischen Kirche in Peru IELP. 

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